Geschichte

112 Jahre FF Neustift

Neustift ist erst anfangs des 19. Jahrhunderts zu einer offenen Dorfeinheit ohne Siedlungsmittelpunkt aus verstreuten Weilern und Gehöften herangewachsen. Am Schnittpunkt von vier Gemeinden – Aunkirchen, Iglbach, Söldenau und Zeitlarn – also immer an deren jeweiligem Rand, hatten aufkeimende Selbständigkeitsgedanken wenig Chancen auf Verwirklichung. Die jeweiligen Gemeinden waren stets bestrebt, nichts von ihrem Einfluss zu verlieren, um die eigene Position nicht zu schmälern. Demzufolge wurde die Feuerwehr Neustift auch relativ spät gegründet, wo andernorts die Wehren schon Jahrzehnte bestanden. Sicher bestand auch schon vor dem offiziellen Gründungsdatum 1904 ein lockerer Feuerschutzbund oder Verein. In den ersten Protokoll­eintragungen nach Vereins­gründung 1904 wird berichtet, dass ein Aktivrest von 55,34 Mark (386,65 Mark Ein­nahmen aus Beiträgen, Zuschüssen und Verlosung abzüglich 331,31 Mark Aus­gaben) an den Kassier übergeben wurden. Aus diesem Grund muss auch schon vor 1904 eine Interessen­ge­meinschaft bestanden haben, die für den Brandschutz Geld zusammen­getragen hatte. Leider sind aus der Zeit vor 1904 keine Aufzeichnungen vorhanden.

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Im Jahre 1904 jedenfalls gründeten beherzte Männer aus Neustift, allen voran Georg Bachhäubl, Franz Xaver Rohrmeier, Max Kronpaß, und Andreas Wippl gegen enormen Widerstand von Seiten der damaligen Gemeinde Iglbach die FFW Neustift. Wahrscheinlich war die Truppe bis zu diesem Zeitpunkt nur mit einfachstem Löschgerät, wie Eimer, Haken und Leitern ausgestattet.

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Nach der Vereinsgründung wurde eine Löschmaschine mit notwendigem Zubehör von der Firma Justus Braun aus Nürnberg für 1.700,- Mark angeschafft und durch Ratenbeträge und mit Hilfe eines Darlehens finanziert. Im Jahre 1909 griff endlich das Land Bayern den tapferen Bürgern unter die Arme und beglich die Restschuld von 700,- Mark. Auch aus der Gemeinde Iglbach sowie vom Distrikt (Landkreis) kamen nun kleinere Zuwendungen.

Die Kassenlage blieb angespannt, so dass auch noch 1910 der Kauf einer Standarte (Fahne) zurückgestellt wurde.

Die Wirren des 1. Weltkrieges machten auch vor dem jungen Verein nicht halt, weshalb in den Jahren 1914 – 1918 keinerlei Protokolleintragungen zu verzeichnen sind. Lediglich aus den Kassenabrechnungen kann man einige Aktivitäten vermuten. So wird 1914 vom Kauf einer Fahne für 320,- Mark berichtet, die wahrscheinlich auch ohne größere Feierlichkeiten geweiht wurde, um den immer häufiger werdenden Trauerfeiern für gefallene Vereinskameraden einen würdigen Rahmen zu geben. Der Krieger- und Veteranenverein wurde erst nach dem Krieg gegründet.

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Erst 1929, beim 25-jährigen Gründungsfest am 29. Juni, tritt Fahnenmutter Karolina Rohrmeier, die Witwe des Gründungsmitglieds und 1. Vorstandes der Neustifter Feuerwehr, ins Rampenlicht. Frieda Bamesreiter (verh. Kreitmeier), Therese Schlagbauer (verh. Lindinger) und Therese Kronpaß (verh. Bauer) waren Festjungfrauen. Die Festrede hielt Hauptlehrer Hacker. 25 Vereine aus der näheren Umgebung erwiesen dem Jubelverein beim Wirt in Blindham die Ehre. Patin war die FFW Unteriglbach.

Die nationalsozialistischen Machthaber im Dritten Reich griffen immer stärker in die demokratischen Vereinsstrukturen ein. Die Vereine durften zwar vorläufig noch bestehen bleiben, die Vereinsführung wurde ab 1936 jedoch nicht mehr gewählt, sondern von den Landräten bestimmt. Die Kommandanten hießen nun „Wehrführer“ und die Übungen nannte man „Appelle“. Diese Übungen oder „Appelle“ wurden militarisiert und größtenteils auf Sonntag während des Gottesdienstes verlegt. Die jährliche Generalversammlung nannte man Jahresappell.

Durch den Erlass des Reichsfeuerwehrgesetzes vom November 1938 wurden die Feuerwehren praktisch zu Hilfspolizeikräften der Gemeinden. Die Bürgermeister mussten durch „Dienstverpflichtungen“ die zum Militärdienst eingezogenen Wehrmänner ersetzen. Ältere Männer, Frauen und Jugendliche wurden nun per Befehl zum Dienst in der Wehr beordert. Auch ohne Gesetz war die gegenseitige Hilfeleistung gängige Praxis bei der dörflichen Bevölkerung.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 dauerte es noch nahezu zwei Jahre, bis diese Stagnation, diese Lähmung im Vereinsgeschehen überwunden wurde. Zu groß waren Abneigung und zum Teil auch Angst vor organisierten Strukturen. Jedoch war die gegenseitige Hilfe bei Notfällen nach wie vor eine Selbstverständlichkeit.

Nach der Neubelebung 1947 kaufte man ein Fahrzeug aus Wehrmachtsbeständen und eine gebrauchte Motorspritze. Somit hielt auch die Motorisierung in unserer Wehr Einzug.

Das 50-jährige Gründungsfest am 6. / 7. Juni 1954 fiel buchstäblich ins Wasser. Mit einem Pferdepflug musste am Morgen des Festsonntags noch ein Graben um das Festzelt gezogen werden, um das eindringende Wasser abzuleiten. 27 Vereine beteiligten sich am Fest. Als Patenverein konnte die FFW Unteriglbach gewonnen werden. Schirmherr und Festredner war Bürgermeister Ludwig Birkeneder. Pfarrer Otto Fesl weihte die neue Fahne, geschaffen von Rosa Aigner aus Hiefering.

Fahnenmutter war Fanny Klugseder, die Festdamen (Bild v.l.) Anni Noe (verh. Speck), Johanna Rimböck (verh. Scheuer), Ludmilla Knab (verh. Bledl) und für den Patenverein Liesl Hollweck (verh. Aigner). Fahnenjunker war Josef Bledl. Die Mädchen sind Renate Hendlmeier (verh. Harrant), Hanni Weißhäupl (verst.) und Irene Silbereisen (verh. Weidentaler).

Als Attraktion führte die FFW Vilshofen ihr neues Tanklöschfahrzeug vor und zog mit einem simulierten Schaumangriff alle Aufmerksamkeit auf diese neue feuerwehrtechnische Errungenschaft.

Wie bei Feuerwehrfesten früher immer üblich, wurde abends ein großer Feuerwehrball veranstaltet. Dabei konnten die Fahnenjunker zeigen, was sie drauf hatten – und mancher hat dabei den Grundstein fürs spätere Glück gelegt.

1956 wurde das sehr reparaturanfällige Fahrzeug mit aufgesattelter Motorspritze verkauft. Eine neue Tragkraftspritze TS8/8 mit VW-Motor der Firma Magirus, aufgeprotzt auf einem offenen Geräteanhänger, wurde mit einem erheblichen Eigenanteil der Neustifter Wehr (DM 2.000,- der insgesamt DM 5.200,-) im selben Jahr in Dienst genommen. Bei der in dieser Zeit einsetzenden Motorisierung der Landwirtschaft, wo auf jedem Anwesen ein „Bulldog“ stand, war dies eine billige Transporteinheit für die Wehr.

Auf Drängen des damaligen KBI Rothammer wurde 1958 die alte handbetriebene Doppelkolbenpumpe zum Schrottpreis veräußert, weil in der rasch voranschreitenden Technisierung kein Platz mehr für das „alte Zeug“ war. Heute würde so ein Nostalgiegerät für Schauzwecke jeder Wehr zur Erbauung gereichen.


1960 musste das alte Feuerwehrhaus wegen der Verlegung der Straße nach Schwaibach abgerissen und konsequenterweise ein neues errichtet werden. Das Gerätehaus mit Schlauchturm wurde in Gemeinschaftsarbeit gebaut. Die Gemeinde stellte das Bauholz für den Dachstuhl.

Nachdem im Bayerischen Feuerlöschwesen die Grundausbildung mit der abschließenden Leistungsprüfung eingeführt wurde, war die Neustifter Wehr 1959 eine der ersten im Landkreis, die sich dieser Prüfung unterzog. Zwei Löschgruppen, ausgerüstet mit den vorgeschriebenen Geräten, stellten sich der Jury unter KBI Kovarik, KBM Pötzinger und KBM Dammböck. Trotz anfänglicher Nervosität wurden die Prüfungen in der Sollzeit reibungslos bestanden.

In der Folgezeit legte nahezu jedes Jahr eine oder mehrere Gruppen Prüfungen ab, bis hin zur Endstufe „Gold – Rot“.

Einsatz und Verwendung moderner Chemikalien, wie Kunststofffasern, Treibmittel, Nitrolacke und sonstige leicht entzündliche Werkstoffe, erforderten im Brandfall oder bei Unfällen immer häufiger den Einsatz von Atemschutzgeräten für die Helfer und Löschmannschaften. Viele moderne Gebrauchsgüter oder zumindest Herstellungskomponenten konnten mit Wasser alleine nicht mehr gelöscht werden. Spezial- und Zusatzmittel waren notwendig geworden.

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Nach zähen Verhandlungen mit der Gemeinde Wolfachau – entstanden aus dem Zusammenschluss von Söldenau und Iglbach – und wiederum mit einer enormen Selbstbeteiligung wurde 1974 ein Löschgruppenfahrzeug auf einem Mercedes-Allrad-Fahrgesell - Typ F 911 D und einem Aufbau mit Vorbaupumpe der Firma Metz beschafft. Leider war das bisherige Gerätehaus für dieses Fahrzeug zu klein und somit beschloss man, ein neues Feuerwehrhaus mit Unterstützung ortsansässiger Betriebe und vieler eigener geleisteter Arbeitsstunden zu errichten. Am 9. März 1975 wurden Gerätehaus und Löschfahrzeug von Pfarrer Otto Fesl unter Beteiligung zahlreicher Ehrengäste und der Neustifter Bevölkerung feierlich eingeweiht.

In den folgenden Jahren wurde dann das Fahrzeug mit einer Sprechfunkanlage FuG 8 b, einem Stromerzeuger 5,5 KVA mit Scheinwerferanlage und einer Motor-Kettensäge, vier Pressluft-Atmern mit Zubehör sowie einer Standheizung nachgerüstet.

Das 75-jährige Gründungsfest am 16. / 17. Juni 1979 fiel – wie schon das 50-jährige – ins Wasser. Konnte man sich am Samstag der Feierlichkeiten noch einigermaßen trockenen Fußes erfreuen, so war am Sonntag ein Verlassen des Festzeltes fast unmöglich. Kurz entschlossen hielt Pfarrer Otto Fesl den Gottesdienst mit Bänderweihe, musikalisch umrahmt vom Männerchor, im Festzelt ab.

Schirmherr des Festes war Landrat Baptist Kitzlinger, Patenverein wiederum die Freiwillige Feuerwehr Unteriglbach. Alle Gäste, darunter Feuerwehrführungskräfte, Fahnenmutter Fanny Klugseder (*1925 +2003) mit ihren Festdamen Waltraud Seitz, Helga Treipl, Monika Fuchshuber und Christa Kaiser, die Blumenmädchen Susi Lindinger und Monika Fuchshuber, Fahnenjunker Wolfgang Seitz und 51 Gastvereine mit ihren Festjungfrauen mussten den ganzen Tag im Festzelt ausharren, weil an einen festlichen Umzug nicht zu denken war. Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – dieser misslichen Umstände blieb dieses Fest allen noch lange in Erinnerung.

Anspruchsvolle und vielfältige Einsätze erfordern auch gute Ausbildung, nicht nur in der Praxis, sondern zuvor auch schon in der Theorie. 1986 wurde deshalb von den Mitgliedern der Feuerwehr Neustift in 1.568 Arbeitsstunden ein Schulungsraum an das Gerätehaus angebaut. Unterstützt wurde das Projekt durch Sachspenden der ortsansässigen Betriebe.

35 Jahre Dienst bei der Truppe, vor allem aber die bei Leistungsprüfungen häufigen „Trockensaugproben“ haben bei der Tragkraftspritze TS 8 Spuren hinterlassen, deren Reparatur zu kostspielig gewesen wäre. Deshalb wurde 1992 eine neue TS 8/8 Typ Magirus FIRE mit Fiatmotor in Dienst gestellt.

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Auch das Löschfahrzeug Typ LF 8 Baujahr 1974 wurde nach 30 Jahren außer Dienst genommen. Das neue Fahrzeug, ein Vorführfahrzeug Typ LF 10/6 der Firma Schlingmann aus Dissen a.T.W. mit einem Mercedes Benz 925 AFE Atego Allradfahrgestell, einem 1.000-Liter -Tank, einer Heckeinbaupumpe und einer Schnellangriff-Einrichtung, traf noch unmittelbar vor dem Fest ein. Übergabe, Segnung und Indienstnahme erfolgten während der Feiern zum 100-jährigen Vereinsjubiläum das vom 10-13. Juni 2004 statt fand. 2006 erfolgte die energetische Sanierung des Geräthauses mit dem Einbau der neuen Sektionaltore. Im Jahr 2011 erfolgte der Umbau des Schulungsraumes im Zusammenhang mit dem Neubau des Gemeinschaftshauses und wurde beim Floriansfest eingeweiht. 2011 erwarb der Feuerwehrverein den Lichtmast für das Löschfahrzeug und 2012 die neu Lenzpumpe, die beim Jahrhunderthochwasser 2013 in Passau gute Dienste leistete. Beim Floriansfest 2013 wurde die restaurierte Fahne und die neu beschafften Preßluftatmer in Dienst gestellt und geweiht.

2021 wurde unser Fuhrpark um einen Mannschaftstransportwagen Marke MAN mit einem Fahrzeugaufbau der Firma Furtner+Ammer ergänzt. Für das neue Fahrzeug mussten einige Umbauten am bestehenden Feuerwehrhaus erfolgen. Ein Neu- oder Anbau war dank der Voraussicht unserer Vorgänger nicht erforderlich.

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